Billig alleine reicht nicht

Das Handelsblatt berichtet hier:

Die Markenverantwortlichen von Kraft, Nestle und Unilever müssen es mit Erleichterung registriert haben: Zum ersten Mal seit Jahren steigt bei den Deutschen die Überzeugung wieder, dass es sich lohnt, Markenartikel zu kaufen.

Das zeigt die jüngste Allensbacher Werbeträgeranalyse, die zugleich eine nachlassende Preisorientierung feststellt.

Noch machen diese Einzelergebnisse zwar keine Trendwende aus, aber Marktforscher und Psychologen mutmaßen schon, dass der Discounting-Boom bald an seine Grenzen stoßen könnte. Erreichen doch Aldi und Co. nicht mehr die Zuwächse der vergangenen Jahre, und wenn dann nur durch den Ausbau der Flächen und mit erweitertem Markenartikelangebot, wie es Lidl vorgemacht hat.

David Bosshart vom Schweizer Gottlieb-Duttweiler-Institut für Wirtschaft und Gesellschaft (GDI) räsonierte bereits vor einiger Zeit: “Je tiefer die Preise, desto unglücklicher die Kunden”.
Die provokante These des Institutsleiters lautet: “Wer immer nur Schnäppchen jagt, wird unglücklich.”

Auch die Tiefenpsychologen vom Kölner Rheingold-Institut erkennen eine Gegenbewegung zum Discountboom, bei der Menschen auf der Suche nach Sinn und Orientierung wieder stärker nach Marke und weniger nach Preis fragen.

Seit mehr als zehn Jahren sind Billiganbieter wie Aldi, Lidl, Netto, oder Plus auf dem Vormarsch. Ihr Marktanteil hat sich in den vergangenen zehn Jahren von 27 auf 40 Prozent gesteigert.
Das macht den klassischen Supermärkten und Markenartikel-Produzenten zu schaffen. Deshalb muss es wie Musik in ihren Ohren klingen, wenn auch das Marktforschungsunternehmen AC Nielsen erste Anzeichen eines Schnäppchenfrustes bei den Deutschen feststellt: Voriges Jahr ist der Anteil der Haushalte, die regelmäßig bei Aldi einkaufen, von 86 auf 85 Prozent gesunken. Bei den übrigen Discountern stagnierte der Wert bei 92 Prozent.

Dass sich Verbraucher – wenn auch sehr zaghaft – von den Discountern abwenden, begründen Fachleute mit dem Wunsch nach mehr Qualität. Lebensmittelskandale haben ihre Spuren hinterlassen – auch der aktuelle Genreis-Skandal dürfte Folgen haben.

“Vor dem Hintergrund solcher Skandale sind Verbraucher auch tatsächlich bereit, einen höheren Preis für mehr Qualität zu zahlen”, sagt Johannes Siemes, Leiter des Geschäftsbereichs
Konsumentenmärkte bei KPMG.

Zurzeit liegt das deutsche Preisniveau für Lebensmittel im Vergleich zu Westeuropa nur bei 87 Prozent. Mit anderen Worten: Nirgends ernähren sich die Menschen so günstig wie hier zu Lande.

Darüber hinaus sind es traditionelle Supermärkte und Fachgeschäfte, die neuen Produkten eine Chance geben, Discounter nehmen Innovationen meist erst auf, wenn diese sich woanders etabliert haben und kopieren sie dann unter eigener Marke.

Auch der Trend zu Bio-Produkten belegt, wie wichtig den Deutschen Qualitätsware ist. Zwar machen die Öko-Lebensmittel erst drei Prozent des Marktes aus, doch hat sich der Umsatz seit 2000 auf rund vier Mrd. Euro knapp verdoppelt. Nun haben auch die Discounter den Trend erkannt und bieten ein begrenztes Bio-Sortiment an.

Lebensmittel sind seit jeher die Stärke der Discounter wie Aldi & Co. Probleme haben diese eher mit den so genannten Non-Food-Artikeln, die laut Branchenkennern beispielsweise bei Aldi 40 Prozent des Umsatzes ausmachen, Tendenz sinkend. Da sich der Discount-Gedanke nun auch in allen anderen Einzelhandelsbereichen durchsetzt, wird die Konkurrenz immer größer.

Marktkenner sind sich einig, dass es eine Erfolg versprechende Strategie im deutschen Einzelhandel auch künftig nicht geben wird – weder für Händler noch für Markenartikler.
Sie müssen sich darauf einstellen, dass der Verbraucher weiter äußerst sprunghaft bleibt, und auch Porsche-Fahrer ihre Monatsration Reis und Nudeln beim Discounter einkaufen. Dennoch wird sich zeigen, dass Themen wie Functional Food, Bio, Genuss, Wellness und Produktinnovationen nicht spurlos an Penny oder Plus vorbeigehen. Wollen sie ihren Marktanteil halten, müssen sie auf diese Trends eingehen.