Grenzenloser Luxus

Den erfolgreichsten – Chanel – vernachlässigend schreibt das Handelsblatt:

“Edelmarken wie Montblanc nutzen ihren guten Namen für neue Produkte und erweitern ihr Portfolio seit Jahren systematisch – eine Gratwanderung zwischen Exklusivität und Allgegenwärtigkeit.

Ein Zigarrenhersteller kreiert Parfüm, ein Füllfederschleifer näht Handtaschen, ein Koffermacher entwirft Abendkleider – und das ganze auf handwerklich höchstem Niveau. Verrückte Welt?

Luxusmarkenhersteller wie Davidoff, Montblanc und Louis Vuitton erweitern ihr Produktportfolio seit Jahren systematisch. Luxus kennt keine Grenzen mehr.

Die Markendehnung ist im Luxussegment aber auch eine Gratwanderung. Eine Gratwanderung zwischen Exklusivität und Allgegenwärtigkeit.

Die weltgrößten Luxusgüterkonzerne – das französische Konglomerat LVMH und die eidgenössische Gruppe Richemont – stehen nach den Krisenjahren Anfang des Jahrzehnts
besser denn je da. Die Umsätze steigen, die Gewinne explodieren.

Ein Grund für den Wiederaufstieg ist das breite Produktportfolio. „Die Markendehnung erhöht den Bekanntheitsgrad und reduziert die Abhängigkeit von einer Produktgruppe“, sagt Franz-Peter Falke, Präsident des Markenverbands.

Zugleich würden mit Uhren oder Schmuck neue Umsatz- und Gewinnquellen erschlossen, die mehr Wachstumsdynamik zeigten.

Davidoff als Musterbeispiel

Wie weit Markendehnung bisweilen geht, zeigt das Beispiel Davidoff.
Die Zigarrenmarke steigerte mit dem Parfum „Cool Water“ die eigene Bekanntheit immens,
und das, obwohl sowohl die Produkte – duftendes Parfum und rauchige Zigarre – als auch die Zielgruppen – Altherren und Jungvolk – unterschiedlicher kaum sein konnten. Die Unternehmensberatung McKinsey zählt Davidoff deshalb zu den Musterbeispielen für erfolgreichen Markentransfer.

Es ist die Philosophie, die über den Erfolg einer Markendehnung entscheidet.
„Das Produktsortiment von Montblanc folgt dem Prinzip des zeitlosen und klassischen Designs. Das gilt für unsere mechanischen Uhren, die feinen Lederwaren und die Schmuckkollektionen. Nicht in dieses Schema passt zum Beispiel Mode. Mode ist Trends unterworfen, die heute in und morgen out sind“, sagt Lutz Bethge, Geschäftsführer International von Montblanc.

Auch Louis Vuitton folgt einer klaren Leitlinie.
Zum Portfolio des einstigen Pariser Koffermachers gehören nur Produkte, die man auch mit auf Reisen nehmen kann. Neben den ursprünglichen Koffern gibt es heute noch Schmuck, Uhren und Städteführer. Auch Mode gehört zum Reisegepäck. Interieur wie etwa ein Porzellanservice oder eine Stehlampe würde jeden Koffer sprengen – und gehören folglich nicht dazu.

Die Expansion ist aber auch eine Gratwanderung.
„Einstiegsprodukte wie Schlüsselanhänger oder Reiseführer dürfen nicht Überhand nehmen“, warnt Antonella Mei-Pochtler, Markenexpertin der Boston Consulting Group, „Und an jeder Ecke sollte sich eine Luxusmarke auch nicht anbieten.“ Die Distanz zum Alltäglichen müsse gewahrt bleiben – im Sortiment wie im Vertrieb.

Dass eine Markendehnung aber nicht zwangsläufig von Erfolg gekrönt ist, dafür steht Harley-Davidson. Das Ursprungsprodukt der amerikanischen Marke sind schwere Motorräder.
Die Loyalität der überwiegend männlichen Kunden wurde durch eine breite Palette an Merchandisingprodukten überstrapaziert, die von Socken über Schmuck und Weinkühler bis Parfüm reichte. Eingefleischte Harley-Fans lehnten diese „Disneysierung“ nicht nur ab, sondern drohten mit Boykott. Um größeren Imageschaden zu vermeiden, gestand der Konzern die Fehleinschätzung schließlich ein. Der Ausflug von Harley-Davidson in die Lifestyle-Welt endete abrupt.

Konzerne sind auch Getriebene

Bei ihrer Expansion sind die Luxusgüterkonzerne aber auch Getriebene.
Die kritische Markengröße, ab der sich internationale Kampagnen in Marketing und Vertrieb erst lohnen, steigt seit Jahren. „Luxusmarken sind entweder global präsent oder gar nicht“,
erläutert Markenexpertin Mei-Pochtler.

Auch die Krise im Facheinzelhandel zwingt die Edelmarken, in die Breite zu gehen. Mit einem Produkt allein kann kein eigenes Ladennetz bestückt werden. Ein breites Sortiment ist
Voraussetzung für den Aufbau. Bestes Beispiel ist Gerry Weber. Die Damenmodemarke bietet ab Sommer auch Herrenmode an – und zwar einzig und allein aus Einzelhandelslogik.
Die Untergeschosse der „Houses of Gerry Weber“ blieben bis dato ungenutzt, da sich Damenmode nur überirdisch verkauft. Ein Luxus, den sich Gerry Weber auf Dauer nicht leisten will. Um das Basement zu nutzen, ließ Gerry Weber deshalb jetzt in Lizenz eine Herrenkollektion entwickeln.